Schlafrestriktion und Schlafkompression

oder:

Weniger ist Mehr

Die Schlafrestriktionstherapie ("Schlafbeschränkungstherapie") beruht darauf, dass die Schlafzeit (bzw. die Zeit, die im Bett verbracht wird) stark eingeschränkt wird. Durch diesen teilweisen Schlafentzug wird direkt ein schlafanstoßender Effekt hervorgerufen (die Schlafrestriktionstherapie hat aber nichts mit der Schlafentzugstherapie zu tun, die bei Depressiven angewendet wird). Neben der "Stimulus-Kontrolle" zählt die Schlafrestriktion zu den wirkungsvollsten nichtmedikamentösen Therapieverfahren. Als "Schlafkompression" bezeichnet man eine abgeschwächte Form der Schlafrestriktion.

Wichtig: Bei der echten Schlafrestriktionstherapie wird die Zeit, die man im Bett verbringen darf teilweise auf bis zu 5h verkürzt. Diese sehr wirkungsvolle Therapieform darf aber nur unter therapeutischer Anleitung eines Arztes oder Psychotherapeuten durchgeführt werden. Wenn man die Schlafrestriktion im Alleingang durchführen will, sollte die im Bett verbrachte Zeit 6h nicht unterschreiten. Auch in diesem Fall sollten Sie ihren behandelnden Arzt informieren bzw. fragen, ob nicht in ihrem Fall gesundheitliche Gründe gegen eine solche Verkürzung der Liegezeit sprechen!

Wie wirkt die Schlafrestriktion?

Die Schlafrestriktion greift unmittelbar in das Missverhältnis zwischen tatsächlicher Schlafdauer und der insgesamt im Bett verbrachten Zeit ein. Bei den meisten chronisch schlafgestörten Patienten klafft diese Schere weit auseinander. Sie liegen häufig lange im Bett (um genügend Schlaf "zusammenzukratzen"), haben aber das Gefühl, insgesamt nur wenige Stunden zu schlafen. Mit der Schlafrestriktion wird zunächst auf eine Verbesserung der Schlafkontinuität abgezielt, da die Schlaferholsamkeit einer zusammenhängenden Kurzschlafphase größer ist, als die einer zerstückelten, über mehrere Stunden verteilten, insgesamt aber gleichlangen Schlafdauer ("Weniger ist mehr"). Durch die Verkürzung der im Bett verbrachten Zeit wird mit der Schlafrestriktion der Teufelskreislauf der Schlafstörung in mehrfacher Hinsicht durchbrochen:

Wie geht man praktisch bei einer Schlafrestriktion vor?:

Bei der Schlafrestriktion wird die Schlafzeit jeweils von Woche zu Woche durch ein sogenanntes "Schlaffenster" festgelegt und insbesondere am Anfang stark eingeschränkt.

Was ist ein "Schlaffenster"?:
Als Schlaffenster wird die Zeit bezeichnet, die der Patient im Bett verbringen darf. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Festlegung der Dauer der Bettliegezeit, sondern auch der jeweiligen Zubettgeh- und Aufstehzeiten.

Beispiel: Das Schlaffenster wird zunächst zwischen 24:00 Uhr und 6:00 Uhr festgelegt. Dies bedeutet, dass der Patient frühestens um 24:00 Uhr zu Bett gehen darf und spätestens um 6:00 Uhr aufstehen muss. In der übrigen Zeit. d.h. von 6:00 Uhr morgens bis 24:00 Uhr nachts soll der Patient sich auf gar keinen Fall ins Bett legen und auch keinen Mittagsschlaf oder etwas Ähnliches machen. Diese Festlegung des Schlaffensters ist unabhängig davon, ob der Patient in der Zeit zwischen 24:00 Uhr und 6:00 Uhr schläft, wacht, oder sogar aufsteht.

Gerade in der Anfangsphase nimmt durch die Schlafrestriktion die Müdigkeit und Zerschlagenheit am Tage erheblich zu. Diese Zunahme des "Schlafdruck" ist aber beabsichtigt und führt dazu, dass die Ein- und Durchschlaffähigkeit auf Dauer wieder zunimmt. Es ist daher besonders wichtig, dass der Patient gerade in den ersten Wochen nicht von seinem Schlaffenster abweicht, indem er z.B. tagsüber sich hinlegt, früher zu Bett geht oder am Morgen länger liegen bleibt.

Es ist in dieser "harten" Anfangszeit sehr wichtig, mit dem Patienten zusammen bewusst zu überlegen, wie er am besten mit der zunehmenden Müdigkeit am Tage umgehen kann (z.B. an frische Luft gehen, Gesicht kalt waschen, kurze Zeit die Beine hochlegen...) und, was er in der zusätzlichen freien Zeit, der ihm durch die kürzere Liegezeit plötzlich zur Verfügung steht, mit sich anfangen kann.

Als besonders kritisch erweisen sich dabei die späten Abendstunden. Fernsehen ist hier wg. der Einnickgefahr in aller Regel nicht angezeigt. Hilfreich ist es, den Patienten für jeden Abend einen Stundenplan entwerfen zu lassen, in dem er seine Aktivitäten für diese Stunden festlegt. Wegen der zunehmenden Einschlafgefährdung am Tage ist der Patient auf das entsprechend erhöhte Unfallrisiko hinzuweisen. Von längeren Autofahrten ist in den ersten Wochen dringend abzuraten.

Wie wird das Schlaffenster festgelegt?
Für das Schlaffenster müssen sowohl die Dauer als auch die konkreten Uhrzeiten festgelegt werden.

Die Festlegung der Dauer des ersten Schlaffensters richtet sich nach der durch­schnittlichen Schlafdauer der letzten zwei Wochen in den zuvor vom Patienten ausgefüllten Schlafprotokollen. D.h. wenn der Patient in der letzten Woche im Durchschnitt 5,5 Stunden Schlaf angegeben hat, dann sollte auch die Dauer seines Schlaf­fensters 5,5 Stunden betragen. Die unterste Grenze des Schlaffensters sollte - unabhängig von der Schlafdauer - fünf Stunden nicht unterschreiten, d.h. auch wenn die durchschnittliche Gesamtschlafzeit des Patienten z.B. nur vier Stunden beträgt, beträgt sein Schlaffenster trotzdem fünf Stunden. Generell gilt, dass ein kurzes Schlaffenster zu schnelleren Effekten führt, so dass bei Patienten, die z.B. aufgrund einer begleitenden Schlafmitteleinnahme eine relativ hohe durchschnittliche Schlafdauer erzielen, unter Umständen ein niedrigerer Wert, als die Schlafdauer erlauben würde, anzusetzen ist. Beachten Sie bitte unbedingt den Hinweis am Anfang dieses Kapitels! Schlafrestriktion stellt ein hochwirksames Therapieverfahren dar, das wie alle wirksamen Therapiemethoden auch Nebenwirkungen mit sich bringt!

Bei der Festlegung der Zubettgeh- und Aufstehzeit sollte man sich überwiegend nach den Gewohnheiten, Vorlieben und circadianen Typus (Morgen- oder Abendmensch) des Patienten richten. Wichtig ist vor allem, dass das einmal festgelegte Schlaffenster in der ersten Woche kontinuierlich befolgt wird, damit sich der Körper auf die neuen Zeiten all­mählich einstellen kann.

Wie und wann wird das erste Schlaffenster verändert ?

Die Ausweitung und Veränderung des ersten Schlaffensters richtet sich nach der Zunahme der Schlafeffizienz und sollte frühestens nach einer Woche erfolgen.

Unter "Schlafeffizienz" (siehe "Schlafprotokolle") versteht man das Ver­hältnis der tatsächlich geschlafenen Zeit zu der insgesamt im Bett verbrachten Zeit. Eine Schlaf­effizienz von 50% bedeutet also, dass jemand z.B. acht Stunden im Bett gelegen hat, davon aber insgesamt nur vier Stunden geschlafen hat. Auch ein gesunder Schläfer hat keine 100-prozentige Schlafeffizienz: je nach Alter liegt die Schlafeffizienz eines gesunden Schläfers zwi­schen 85% und 95%.

Nach der ersten Woche berechnet man anhand der Schlafprotokolle (die während der ganzen Therapie geführt werden müssen) diese Schlafeffizienz und vergleicht den Wert mit dem aus der vorherigen Woche. Wenn die Schlafeffizienz bereits aufgrund des vor­ausgegangenen Schlafdruckes zugenommen hat und 85% oder mehr beträgt, kann das Schlaffenster für die folgende Woche um 15 Minuten verlängert werden. Ist die Schlafeffizienz hingegen kleiner als 85%, dann wird auch das Schlaffenster für die kommende Woche um 15 Minuten verkürzt - es sei denn, dass es bereits nur fünf Stunden umfasste.

In aller Regel dauert es bei Patienten mit chronischen Schlafstörungen im Durchschnitt drei Wochen, bis eine Schlafeffizienz von 85% erreicht ist.

Dauer und Therapieziel der Schlafrestriktion

Ziel der Schlafrestriktion ist es, innerhalb einer 6-10wöchigen Therapiephase eine kontinuierliche Schlafphase/dauer von 5-5,5h zu ermöglichen. Im Anschluss an die Therapie kann der Patient diese langsam im Alleingang weiter ausbauen. Im ersten Jahr nach der Therapie sollte dabei ein Liegezeit von 7h jedoch nicht überschritten werden.

Leidet der Patient unter anderen körperlichen oder psychischen/psychiatrischen Erkrankungen ist wg der erheblichen Nebenwirkungen vorher in jedem Fall das Einverständnis des behandelnden Arztes einzuholen.

Die Anleitung und Begleitung der Schlafrestriktion durch einen in Schlafmedizin erfahrenen Therapeuten stellt eine notwendige Vorraussetzung für den Erfolg dieser Technik dar.

Literaturhinweis für Therapeuten: Ausführliche Anweisungen und Materialien zur Durchführung einer Schlafrestriktionstherapie findet man in:

Müller, T. und Paterok, B.: Schlaftraining: Ein Therapiemanual zur Behandlung von Schlafstörungen. Hogrefe-Verlag, 1999.

Schlafkompression:

Für viele Patienten stellt die "strenge" Schlafrestriktion aufgrund der erheblichen Schlafentzugseffekte eine nicht zumutbare Methode dar Im Einzelfall ist daher statt einer Schlafrestriktion eine Schlafkompression die geeignetere Methode. Bei der Schlafkompression wird die Liegezeit auf einen festen Wert von 6-7 Stunden beschränkt. Ein wochenweise konkrete Anleitung zum Vorgehen bei einer Schlafkompression findet sich in unserem Selbsthilfebuch "Schlaf erfolgreich trainieren".