Biologischer Rhythmus

Schlafen und Wachen als Biologischer Rhythmus

 

Der folgende Text ist mit freundlicher Genehmigung des Hogrefe-Verlages dem Buch "Schlaftraining - Ein Therapiemanual zur Behandlung von Schlafstörungen" entnommen.

"Der Schlaf ist für den ganzen Menschen,
was das Aufziehen für die Uhr"

(A. Schopenhauer)

Wahrscheinlich haben Sie inzwischen auch nach den seltenen guten Nächten festgestellt, dass Ihre Müdigkeit am Tage, unabhängig von der Qualität der vorausgehenden Nacht, doch gewissen tageszeitlichen Schwankungen unterliegt.

Selbst nach einer völlig schlaflosen Nacht können Sie z.B. bei sich selber beobachten, wie die quälende Müdigkeit am Morgen in den Vormittagsstunden verschwindet und am Nachmittag verstärkt wiederkehrt.

Solche Schwankungen sind auf unsere "inneren Uhren" zurückzuführen, die wesentlich mitbestimmen, wann wir müde und schläfrig werden, ob wir gerade hungrig sind und vieles andere mehr. Auch der Umstand, dass man häufig immer zur gleichen Zeit wach wird bzw. einige Menschen sogar ganz ohne Wecker immer pünktlich zu einem bestimmten Zeitpunkt morgens erwachen können, ist auf diese inneren Uhren in unserem Gehirn zurückzuführen. Sie steuern maßgeblich unsere inneren biologischen Rhythmen.

Die Körpertemperatur schwankt z.B. im Laufe eines 24-Stunden Tages um ca. plus/minus 1 Grad Celsius. Wenn wir morgens aufwachen, ist sie noch relativ niedrig. Im Laufe des Tages steigt sie an und erreicht am Nachmittag ihren Höhepunkt. Am Abend beginnt sie allmählich wieder zu sinken und hat in den frühen Morgenstunden ihren tiefsten Punkt.

Die innere Uhr, die unseren Temperaturrhythmus steuert, bestimmt auch maßgeblich unseren Schlaf -Wach-Rhyhtmus. Immer dann, wenn die Temperaturkurve am Abend zu sinken beginnt, werden wir müde. Steigt sie am Morgen wieder an, wird der Organismus wieder aktiviert und wir erwachen. Wer also z.B. nach einer Party erst in den frühen Morgenstunden zu Bett geht, darf sich nicht wundern, wenn er schon nach sehr kurzer Zeit wieder wach wird. Obwohl er nur wenige Stunden geschlafen hat, hindert die am Morgen ansteigende Temperatur und die übrige biorhythmisch bedingte Aktivierung des Körpers, dass er ausschlafen kann. Auch der Versuch, früher ins Bett zu gehen, um quasi vorzuschlafen, scheitert in aller Regel darin, dass der Körper vor dem normalen Zubettgehzeitpunkt noch viel zu aktiviert ist bzw. "auf zu hoher Betriebstemperatur" ist, um in den Schlaf zu finden.

Häufigkeit von Schlafstörungen in Allgemeinarztpraxen

Innere Uhren steuern das Auf und Ab unserer verschiedenen biologischen Rhythmen. Hier dargestellt sind der Rhythmus der Körpertemperatur, der Wachstumshormon- und Stresshormonausschüttung.

Für einige Menschen ist diese enge Kopplung zwischen Temperaturrhythmus und Schlaf-Wach-Rhythmus nicht unproblematisch: Bei den sog. Abendmenschen oder "Eulen" erreicht die Temperatur erst ein bis zwei Stunden später am Tage ihr Maximum und fällt dann nur sehr langsam ab. Sie können in den Abendstunden häufig besonders gut noch arbeiten, haben aber Probleme, weil sie nur langsam müde werden. Könnten Sie ihrem eigenem Rhythmus folgen, würden sie wahrscheinlich erst weit nach Mitternacht zu Bett gehen. Wenn sie jedoch am Morgen um 7 Uhr aufstehen müssen, hat ihre Körpertemperatur gerade erst ihr Minimum überschritten. Entsprechend fühlen sie sich "im Keller", haben Anlaufprobleme, sind Morgenmuffel und auch der Appetit will sich erst so recht nach einigen Stunden einstellen. Umgekehrt können Morgenmenschen oder sog. "Lerchen" besonders gut am Vormittag arbeiten, weil ihre Temperatur schon früh gestiegen ist. Im Gegensatz zu Abendmenschen haben "Lerchen" das Problem, dass ihre Temperaturkurve früher am Nachmittag bereits ihr Maximum erreicht und am Abend schnell und steil "abstürzt". Entsprechend plötzlich werden sie am Abend müde und "es ist dann mit ihnen nicht mehr viel anzufangen". Auf der folgenden Webseite des Chronobiologen Prof. Dr. Till Roenneberg finden Sie einen Fragebogen, mit dessen Hilfe man die Morgen-Abend-Typus-ausprägung näher bestimmen kann: www.imp-muenchen.de.

Die inneren Uhren, die unsere Temperaturrhythmik, den Schlaf-Wach-Rhythmus und viele andere Körperfunktionen (z.B. die Ausschüttung bestimmter Hormone) steuern, ticken in ungefährem 24-Stunden Takt. Wie sie am Beispiel des Schlafprofils mit seinen 90-Minuten Zyklen sehen können, gibt es aber auch andere innere Uhren, die einen kürzeren Takt aufweisen. Auch tagsüber gibt es z.B. 90-Minuten-Rhythmen innerhalb derer unsere Leistungsfähigkeit schwankt. Wieder andere Rhythmen weisen einen Vier-Stunden-Takt auf usw.

Die verschiedenen Müdigkeitsanfälle, die sie z.B. am Vormittag, nach dem Mittagessen und am späten Nachmittag erleben, sind Ausdruck solcher kürzeren biologischen Rhythmen. Während der Schlafrestriktion werden diese Müdigkeitsschwankungen von Ihnen aufgrund des erhöhten Schlafdruckes wesentlich stärker erlebt werden. Es ist wichtig, dass sie in solchen Momenten wissen, dass die momentane Müdigkeit und Erschöpfung nicht den ganzen übrigen Tag in diesem Ausmaß anhalten, sondern bereits nach ca. einer Stunde von selber wieder abnehmen werden. Ein kurzer Spaziergang an frischer Luft oder einige gymnastische Übungen können ihnen zusätzlich helfen, das "Müdigkeitsloch" zu überwinden.

Das harmonische Zusammenspiel der verschieden langen biologischen Rhythmen steuert in entscheidendem Maße unsere verschiedenen körperlichen und psychischen Funktionen. Sie selber haben vielleicht schon einmal erlebt, dass sie am Abend "über ihren Punkt hinausgeschossen" sind. Tatsächlich kann sich durch eine regelmäßige Lebensweise mit der Zeit ein optimales "Einschlaffenster" bilden, d.h. eine gewisse Zeitspanne am Abend, wo ihr Körper das Einschlafen erleichtert. Wird dieses Einschlaffenster verpasst, hat man das Gefühl, plötzlich wieder wacher zu werden.

Regelmäßigkeit ist auch entscheidend dafür, dass sich die verschiedenen biologischen Rhythmen überhaupt aufeinander abstimmen können. Schichtarbeit und unregelmäßige Lebensweise (z.B. unregelmäßige Essenszeiten, unregelmäßige Zubettgeh- und Aufstehzeiten) können das harmonische Zusammenspiel gefährden. Man kommt dann quasi "aus dem Takt". Schlafstörungen und andere vegetative Beschwerden (z.B. Verdauungsstörungen) können die Folge sein.

Neben Schichtarbeit und Jetlag ist die alljährliche Zeitumstellung im Frühjahr und Herbst ein typisches Beispiel, bei dem wir den Einfluss unserer inneren Uhren spüren.