Schlaf und Schlafkultur im Wandel der Zeit

Der folgende Text ist mit freundlicher Genehmigung des Hogrefe-Verlages dem Buch "Schlaftraining: Ein Therapiemanual zur Behandlung von Schlafstörungen entnommen.

 

Das Phänomen Schlafen hat die Menschheit seit den Anfängen beschäftigt und gleichzeitig fasziniert. Aus den Überlieferungen der Sagen, Märchen, Dichtung, Philosophie und Medizin können wir entnehmen, dass der Schlaf häufig als ein völlig inaktiver Zustand angesehen wurde, in dem alle Körper- und Bewusstseinsvorgänge "auf Null" gestellt werden. Man verglich daher den Schlaf mit dem Tod: In der griechischen Mythologie ist "Hypnos" - Gott des Schlafes - , Bruder des Todesgottes "Thanatos". Auch bei den Germanen waren Tod und Schlaf Geschwister - beide als "Sandmänner" bekannt. Sie können in dem Buch von Alexander Borbely: "Das Geheimnis des Schlafes", Kap. 1 (Borbely hat das ganze Buch im Internet zur Verfügung gestellt!), näheres anhand vieler Beispiele über diese interessanten Verbindungen erfahren.

Für die Beurteilung unseres heutigen Schlafverhaltens und der sog. Schlafkultur sind einige historische Betrachtungen zu diesem Thema nicht nur amüsant. Sie zeigen z.T. sehr deutlich, dass das "Wie", "Wann", "Wo" und "Wie lange" Schlafen, im Laufe der Zeit starken Wandlungen und Veränderungen unterlagen. Möglicherweise tragen diese historischen Betrachtungen dazu bei, die eigenen Vorstellungen, die uns heute als selbstverständlich erscheinen, zu überdenken:

In unseren Breiten findet man in den meisten Wohnungen und Häusern separate Schlafzimmer. Das ist freilich eine relativ neue Errungenschaft, die erstmals an den königlichen Höfen eingeführt, später von den Adligen und dem Bürgertum übernommen, und heute ihren Höhepunkt erreicht hat (wenn man z.B. das Angebot an Schlafzimmerausstattungen anschaut!). Das Schlafzimmer ist von einem offenem, gemeinschaftlichen Raum, den sich mehrere Menschen gleichzeitig teilten und der am Tage zu mehreren Zwecken diente zu der behüteten Intimsphäre des Individuums geworden. Zwei Beispiele sollen es verdeutlichen:

In früheren Zeiten war aber nicht nur der Schlafort, sondern auch die Schlafzeit weniger starr festgelegt als heute. Den Abbildungen des Mittelalters oder aber den Kalendern der Feldarbeit können wir entnehmen, dass Menschen auf Feldern, neben Häusern oder direkt neben ihrem Arbeitsplatz tagsüber schliefen. Heute können wir noch solche Gewohnheiten z.B. in Indien beobachten. In der westlichen Industriewelt ist der Tagesschlaf zum Inbegriff der Faulheit geworden. Das elektrische Licht und die meistens unflexiblen Arbeitszeiten bestimmen seit ca. 100 Jahren unseren Schlaf-Wach-Rhythmus.

Der Mensch muss sich zwangsläufig einem bestimmten Rahmen anpassen. Doch wie viel Spielraum und Flexibilität innerhalb diesen Rahmens möglich ist bzw. anders ausgedrückt, worauf es innerhalb der gesellschaftlich "vorgeschriebenen" Schlafzeit ankommt, das können Sie in den anderen Abschnitten zu den "Grundlagen des Schlafs" erfahren. Hier gehts weiter zum Thema "Schlafstadien und Schlafkultur".